Stadt | Land | DatenFluss: Wie Daten unseren Alltag prägen
Im Rahmen der „Initiative Digitale Bildung“ von Bundeskanzlerin Angela Merkel hat der KI-Campus im Februar 2021 den Online-Kurs Stadt | Land | DatenFluss veröffentlicht, der auf der gleichnamigen App des Deutschen Volkshochschul-Verbands (DVV) basiert. Kurs und App haben ein gemeinsames Ziel: Lernende für einen souveränen Umgang mit Daten zu sensibilisieren und Datenkompetenzen in der Gesellschaft zu stärken. Im Interview geben Gabi Netz (DVV), Katharina Schüller (STAT-UP) und Florian Rampelt (KI-Campus) einen Einblick in die Entstehung von Stadt | Land | DatenFluss und verdeutlichen, warum sie das Thema Data Literacy so begeistert.
Gabi Netz ist beim DVV Projektleiterin im vhs-Lernportal und betreute die Entwicklung der App Stadt | Land | DatenFluss. Katharina Schüller ist Vorständin der Deutschen Statistischen Gesellschaft, leitet das Beratungsunternehmen STAT-UP und hat das Curriculum für App und Kurs entwickelt. Florian Rampelt ist Geschäftsstellenleiter des KI-Campus beim Stifterverband.
Wie kam es zu der Idee, eine App für mehr Datenkompetenz zu entwickeln?
Gabi Netz: Die Volkshochschulen setzen sich seit inzwischen mehr als hundert Jahren für die Bildung breiter Bevölkerungsschichten ein. Die Grundbildung, das Lesen, Schreiben und Rechnen spielen dabei eine große Rolle, ebenso Deutschkurse für Menschen mit anderen Muttersprachen.
Als Instrument zur Unterstützung bestehender Kurse wurde das vhs-Lernportal entwickelt, das Grundbildungsbedarfe bedient – und sich auch zum Selbstlernen eignet. Durch das vhs-Lernportal erreichen wir viele Menschen, die sich mit dem Internet bisher nicht – zumindest nicht unbedingt zum Lernen – befasst haben. So dient das vhs-Lernportal auch dazu, digitale Kompetenzen in der breiten Bevölkerung zu stärken.
Teil einer digitalen Grundbildung sind dabei auch Kompetenzen im Umgang mit Daten. Um diese zu stärken wurde die App Stadt | Land | DatenFluss entwickelt. So möchten wir in breiten Bevölkerungsschichten nicht nur Anwendungskompetenzen auf- und ausbauen, sondern auch das nötige Grundlagenwissen zu Daten und Datenflüssen schaffen, das für die selbstbestimmte Teilhabe in der digitalisierten und datafizierten Welt nötig ist.
Wen möchten Sie mit der App und dem Kurs erreichen?
Gabi Netz: Zielgruppe sind alle Menschen, die im Alltag Daten begegnen – also jeder und jede von uns. Wer sich schon einmal gefragt hat: „Was sind Daten? Wie kann ich sicher mit meinen Daten umgehen? Und was können Daten für mich tun?“ findet beim Entdecken der Lernwelten in der App – wie auch im Kurs – die Antworten.
Die App und der Kurs richten sich an alle Altersgruppen und sprechen sowohl jene an, die ganz selbstverständlich digitale Neuerungen anwenden, als auch solche, die nur sporadisch das Internet nutzen.
Frau Schüller, Ihrer Einschätzung nach sind Datenkompetenzen heute „wichtiger als Tischmanieren“. Warum hat Data Literacy eine so große Bedeutung?
Katharina Schüller: Wenn ich mich als Statistikerin vorstelle, erlebe ich als Reaktion häufig eine gewisse Verunsicherung oder einen schlechten Scherz der Art „Glaube keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast“. Zugleich sehen wir jeden Tag, wie in den traditionellen und sozialen Medien mit Hilfe von Daten und Statistiken argumentiert wird und wie oft dabei Fehler passieren. Manchmal aus Unwissenheit, manchmal aus böser Absicht.
Der Wert von Datenkompetenz für unsere Demokratie scheint mir noch zu wenig erkannt. Dabei braucht es sie dringend, um souverän mit Daten und Informationen, aber auch mit Fake News umzugehen. In der Corona-Krise werden Entscheidungen, die uns alle betreffen, auf der Grundlage von Statistiken getroffen, die kaum jemand wirklich versteht, aber die trotzdem von gefühlt jedem und jeder interpretiert werden.
Gleichzeitig hat die Krise die Digitalisierung massiv beschleunigt und damit auch für eine enorme Zunahme an Daten gesorgt. Open Data wird ein immer wichtigeres Thema. Daten gelten als eine der wichtigsten Ressourcen und wir brauchen Data Literacy, damit aus ihnen etwas Gutes entsteht.
Warum brauchte es zusätzlich zur mobilen App einen Kurs? Welche zusätzlichen Vorteile bietet die Einbettung in den KI-Campus?
Florian Rampelt: Nicht alle verfügen über ein Smartphone oder ein aktuelles Betriebssystem, um sich die App für Android oder iOS herunterzuladen. Auch ganz grundsätzlich sind die individuellen Lernbedürfnisse sehr unterschiedlich, manche Personen bevorzugen den eher gamifizierten Ansatz einer App, andere lernen lieber in einem statischeren Online-Kurs am PC oder Laptop. Daher haben wir das entsprechende Angebot auf dem KI-Campus geschaffen, einen Kurs, der sehr niedrigschwellig und ohne Anmeldung direkt im Browser nutzbar ist.
Wir freuen uns, die Browser-Version zu Stadt | Land | DatenFluss in unser übergreifendes Lernangebot zu Daten- und KI-Kompetenzen einzubinden, ein Ökosystem mit vielen weiteren Online-Kursen, Podcasts und Videos. Lernende haben auf dem KI-Campus die Möglichkeit, die behandelten Inhalte in zusätzlichen Kursen weiterzuverfolgen und zu vertiefen.
Was waren die zentralen Anforderungen an die Umsetzung des Online-Kurses?
Florian Rampelt: Diese decken sich mit denen der App: Zentral für die Umsetzung ist ein klarer Lebensweltbezug. Der Kurs veranschaulicht mit interaktiven Aufgaben die vielfältigen Verbindungen zwischen Daten und dem eigenen Alltag. Die umfangreichen Inhalte der App wurden dabei vom KI-Campus redaktionell für eine webbasierte Darstellung aufbereitet. So entstand ein Angebot für Nutzer:innen, die ein weniger gamifiziertes Lernerlebnis bevorzugen. Diese Umsetzung ermöglicht eine stärkere inhaltliche Vertiefung und eine erweiterte Einbettung in den thematischen Kontext.
Was kann man in Stadt | Land | DatenFluss lernen? Welche Themenfelder werden behandelt?
Gabi Netz: Stadt | Land | DatenFluss zeigt, wo Technologien wie KI, Big Data und das Internet der Dinge zum Einsatz kommen und welche Rolle dabei Daten spielen. Mit Gesundheit, Mobilität und Arbeit gibt es drei thematische Bereiche.
Zur alltagsnahen Vermittlung der Inhalte werden Tagesabläufe und Geschichten von Personen nachvollzogen, die den Umgang mit Daten widerspiegeln. Expert:innen aus Wissenschaft und Forschung erläutern in kurzen Video-Interviews Datenfragen und Möglichkeiten von Big Data und KI in ihrem Bereich.
Es wird also verdeutlicht, wie Daten unseren Alltag prägen, sei es im Arbeitsleben, im Gesundheitswesen oder im Bereich der Mobilität. Wir möchten Vorbehalte gegenüber neuen digitalen Hilfsmitteln abbauen und gleichzeitig die Chancen einer aufgeklärten Handhabung verdeutlichen. Stadt | Land | DatenFluss unterstützt das grundlegende Verständnis innovativer Technologien und sensibilisiert für einen verantwortungsbewussten Umgang mit persönlichen Daten. Entscheidend ist für uns, dass das Lernen Freude bereitet!
Welche Überlegungen sind in die Entwicklung des Curriculums eingeflossen?
Katharina Schüller: Es war eine große Herausforderung, ein so komplexes Konstrukt wie die Schlüsselkompetenz Data Literacy möglichst umfassend abzubilden, ohne damit die Nutzer:innen zu überfordern. Erstens wollten wir zeigen, dass Datenkompetenz bei einer Fragestellung aus der realen Welt beginnt: Welche Fragen kann man eigentlich mit Daten beantworten? Dann geht es darum zu entscheiden, welche Daten sich dafür eignen, wie man sie beschafft, ihre Qualität prüft, sie auswertet, kritisch interpretiert und schließlich geeignete Handlungen daraus ableitet.
Datenkompetenz beginnt also nicht mit den Daten, sondern schon viel früher. Wir haben uns dazu an Leitfragen orientiert, beispielsweise: „Wie lernt man aus Daten?“ oder „Was bedeuten Informationen im Kontext?“. Zweitens galt es, nicht nur abfragbares Wissen zu vermitteln, sondern auch dessen Anwendung und eine kritische Grundhaltung zu Daten und deren Analysen. Auch hier haben uns Leitfragen geholfen: „Was kann ich mit Daten tun?“, „Wie macht man es richtig?“ und „Wie macht man das Richtige?“.
Außerdem haben wir verschiedene Perspektiven reflektiert – die individuellen Bedürfnisse, die gesellschaftlichen Herausforderungen und globalen Entwicklungen in Zusammenhang mit der Nutzung von Daten. Schließlich sollte das Curriculum auf verschiedene Treiber und Technologien der Digitalisierung eingehen, wie Künstliche Intelligenz oder Big Data, und Lektionen auf einer Grundstufe für Einsteiger:innen sowie solche für Nutzer:innen mit einigen Vorkenntnissen enthalten. Man kann sich wahrscheinlich vorstellen, was das für eine Mammut-Aufgabe war.
Warum ist Stadt | Land | DatenFluss auch für KI-Interessierte ein guter Einstieg?
Florian Rampelt: Wer Künstliche Intelligenz verstehen will, muss sich auch mit Daten beschäftigen. Denn Daten sind eine wichtige Grundlage für KI-Systeme. Data Literacy ist also eine Schlüsselkompetenz für den mündigen Umgang mit KI. Stadt | Land | DatenFluss liefert hier einen großartigen Einstieg.
Lernende erfahren sehr niedrigschwellig, was hochwertige Daten sind, welche Informationen in Daten stecken und was Daten alles leisten können. Kurs und App vermitteln zudem auch grundlegende KI-Kompetenzen. Wir freuen uns natürlich besonders, wenn durch Stadt | Land | DatenFluss eine erste Begeisterung, ein tiefergehendes Interesse für Daten- und KI-Themen geweckt wird, das wir dann mit weiteren Lernangeboten vertiefen können.
Zum Online-Kurs auf dem KI-Campus
Zur App beim DVV
Das Interview führte Lucas Laux, Communication Manager des KI-Campus.