Blogbeitrag KI in der öffentlichen Verwaltung

KI-Einsatz in öffentlichen Verwaltungen kompetent gestalten

Von Prof. Dr. Moreen Heine
14.12.2021

KI kann in der öffentlichen Verwaltung unter anderem für eine bessere Erreichbarkeit und eine schnellere Dokumentenanalyse sorgen. Dadurch können Verwaltungen trotz knapper Personalressourcen und hohem Arbeitsaufkommen leistungsfähig bleiben. Moreen Heine, Professorin für E-Government und Open Data Ecosystems an der Universität zu Lübeck, betont in ihrem Blogbeitrag die Bedeutung von KI-Kompetenzen für den öffentlichen Sektor.

Künstliche Intelligenz gewinnt auch im öffentlichen Sektor zunehmend an Bedeutung. Es existieren bereits einige Anwendungen in der Praxis: darunter Chatbots, Systeme zur Klassifizierung von Dokumenten oder zur Erkennung von Schäden, zum Beispiel an Straßen.

Die Handlungsfelder und Aufgabengebiete öffentlicher Verwaltungen sind vielfältig. Daher ist es hilfreich, grundsätzliche Einsatzgebiete zu kennen. KI-basierte Systeme können für Informations- und Kommunikationsaufgaben genutzt werden, beispielsweise über Sprachassistenten. Auch bei erhöhtem Bedarf ist es so möglich, 24/7 erreichbar zu sein und zum Beispiel Mehrsprachigkeit sicherzustellen. Außerdem können KI-Systeme für das Erkennen von Anomalien und die Analyse von Dokumenten genutzt werden. Dies ist hilfreich für die Aufdeckung von Fehlern und Betrug sowie die Überprüfung der Echtheit von Dokumenten. Ein weiteres Anwendungsgebiet im Bereich Erkennen ist die Klassifizierung von Dokumenten. Für komplexe Aufgaben können sämtliche relevante Dokumente identifiziert werden, die nötigen Daten automatisiert ausgelesen und für die weitere Bearbeitung in Fachanwendungen zur Verfügung gestellt werden. Schließlich können KI-basierte Systeme auch agieren. Diagnoseroboter können dabei helfen, die Zustände von Bauwerken zu bewerten. Serviceroboter könnten in Empfangssituationen oder als Begleitung, zum Beispiel auf einem unübersichtlichen Verwaltungscampus, genutzt werden. Die Optionen sind also vielfältig. Doch wie können konkrete Anwendungsbereiche identifiziert werden?

Grundlegend ist die Frage nach der strategischen Ausrichtung des KI-Einsatzes. Mit Beantwortung dieser Frage geht ein ganzheitliches Problemverständnis einher, das Ausgangspunkt für die Festlegung von Zielen, ein Verständnis über die Rahmenbedingungen und die Herausforderungen ist. Auf dieser Basis können geeignete Lösungsansätze erarbeitet werden. Die strategische Ausrichtung muss sich konsequent an den Organisationszielen, im öffentlichen Sektor also an den Staatszielen, orientieren. Dazu gehört auch die Fähigkeit, Aufgaben effektiv und effizient zu erbringen.

Öffentliche Verwaltungen könnten durch KI-basierte Systeme trotz knapper Personalressourcen und – zum Teil phasenweiser – hoher Arbeitslast leistungsfähig bleiben. Steigende Fallzahlen in bestimmten Aufgabengebieten, beispielsweise in der Sozialverwaltung, können durch die Automatisierung von Teilprozessen und durch Assistenzsysteme für eine schnellere Bearbeitung von Teilschritten weiterhin bewältigt werden. Mit dem Einsatz von KI-basierten Systemen ist auch die Verbesserung von Prozessen, Diensten und Entscheidungen verbunden. Dazu gehört zum Beispiel die Entlastung von ermüdenden Tätigkeiten, was Auswirkungen auf die Zufriedenheit der Beschäftigten und die Ergebnisqualität hat. Hinsichtlich der Verbesserung der Servicequalität kann unter anderem eine bessere Erreichbarkeit und eine Ansprache je nach individuellem Bedürfnis erreicht werden. Die Zielstellungen können demnach vielfältig sein. Um später die Erreichung der Ziele und somit den Nutzen des KI-Einsatzes bewerten zu können, muss eine klare strategische Ausrichtung erarbeitet werden.

Mit dem Einsatz von KI-Systemen gehen auch Herausforderungen und Risiken einher. Mit Blick auf die Risiken muss betrachtet werden, welche Kritikalität bei den Anwendungsbereichen und konkreten Lösungen vorliegt. Aber auch Fragen der Datengrundlage, des Zusammenwirkens zwischen Mensch und KI-System, des organisatorischen Umfelds und der Transparenz der jeweiligen Systemfunktionalität sind zu klären. Politik und Verwaltung müssen sich diesen Gestaltungs- und Steuerungsfragen stellen. Dafür ist neben der Fachkompetenz auch KI-Kompetenz notwendig, die nicht nur durch die Einbindung Externer abgebildet werden kann. Kenntnisse zu KI-Methoden sind daher fundamental. Auf dieser Basis sind Akteur:innen des öffentlichen Sektors in der Lage Potenziale, Voraussetzungen und Risiken einschätzen zu können und Anforderungen für spezifische Anwendungsbereiche zu formulieren – sowohl auf strategischer Ebene als auch in konkreten Vorhaben.

Auf der anderen Seite können KI-Projekte nur erfolgreich aufgesetzt und durchgeführt werden, wenn neben der KI-Expertise tiefgehende Fachexpertise einfließt. Welche Probleme müssen gelöst werden? Welche Daten stehen zur Verfügung und in welcher Qualität? Welche Lösungsansätze erscheinen aus praktischer Sicht vielversprechend? Wie kann die Zusammenarbeit zwischen Mensch und KI-System im spezifischen organisationalen Kontext gelingen? Diese und weitere Fragen sind auch aus fachlicher Sicht zu bewerten. Wichtig ist also Expertise im Bereich der KI aber auch in den jeweiligen Fachgebieten.

Online-Kurse bieten die Möglichkeit, sich unabhängig von Zeit und Ort sowie kostengünstig weiterzubilden – gerade in Themengebieten, die einem schnellen Wandel unterliegen. Je nach Anforderung können leicht verständliche Einstiegskurse (zum Beispiel "KIÖV" auf dem KI-Campus) oder tiefergehende Angebote (zum Beispiel "KI in öffentlichen Verwaltungen" auf dem eGov-Campus) zum Einsatz kommen. Dabei stellt sich die Frage, wie ein solcher Kurs gestaltet werden kann. Hier kann auf den menschzentrierten Entwicklungsansatz zurückgegriffen werden, wobei zunächst der Nutzungskontext und die Zielgruppe analysiert werden und anschließend die Kursinhalte iterativ entwickelt, evaluiert und angepasst werden*. Eine weitere Herausforderung liegt in der Zuordnung der vielfältigen Angebote auf die individuellen Bedürfnisse je nach Aufgabengebiet und Level der Vorkenntnisse. Individualisierbare Lernpakete und leistungsfähige Empfehlungssysteme können hier hilfreich sein.


Zum Online-Kurs "KIÖV – KI in öffentlichen Verwaltungen" auf dem KI-Campus
 

*zur Vertiefung: Dhungel, A.-K., Wessel, D., Zoubir, M., & Heine, M. (2021). Too Bureaucratic to Flexibly Learn About AI? The Human-Centered Development of a MOOC on Artificial Intelligence in and for Public Administration. In Mensch und Computer 2021 (MuC '21). Association for Computing Machinery (S. 563–567). New York. https://doi.org/10.1145/3473856.3473998.

Moreen Heine
Prof. Dr. Moreen Heine
Universität zu Lübeck

Moreen Heine ist seit April 2019 Professorin für E-Government und Open Data Ecosystems an der Universität zu Lübeck. Nach dem Studium der Informatik und Politikwissenschaft promovierte sie im Bereich der Wirtschaftsinformatik zum Transfer von E-Government-Lösungen. Von April 2015 bis März 2019 war sie Juniorprofessorin für Wirtschaftsinformatik, insbesondere Digital Government, an der Universität Potsdam.