Blogbeitrag Weßels

Ein KI-Schreibpartner als Ausweg aus der Ideenlosigkeit?

Von Prof. Dr. Doris Weßels
10.02.2022

Können uns KI-Anwendungen erfolgreich bei der Texterstellung unterstützen? Doris Weßels, Professorin für Wirtschaftsinformatik an der Fachhochschule  Kiel und Leiterin der Arbeitsgruppe „KI und Academic Writing“ des KI-ExpertLabs Hochschullehre, wagt für ihren Blogbeitrag das Experiment, sich auf den kollaborativen Schreibprozess einzulassen.

Vor mir das weiße Blatt Papier. In meinem Kopf nicht mehr als eine diffuse Vorstellung vom Ergebnis. Mein Erschöpfungszustand passt nicht zum Abgabedruck. Woher jetzt spontan eine Idee nehmen, einen Aufhänger, einen passenden Einstieg für meinen Blogbeitrag für den KI-Campus? Gäbe es da nicht meine allzeit bereiten KI-Schreibpartner, wäre ich wohl zum Scheitern verurteilt.

Ich wähle für meinen Versuch heute Abend als meinen Schreibpartner exemplarisch die Lösungen von Headlime aus den Niederlanden. Das Werbeversprechen auf der Website weckt große Hoffnungen: „Writing copy has never been easier. […] Headlime's artificial intelligence can take your thoughts and turn them into words, saving you tons of time so you can focus on what matters […]“ Ich mache die Probe aufs Exempel.

Zunächst einmal benötige ich eine Idee. Hierzu passt das Feature Blog Ideas mit den in Abbildung 1 ersichtlichen Einstellungen. Als Textinput (Description of your product) nehme ich den ersten Absatz dieses Textes, der mein Problem beschreibt.

Abbildung 1: Screenshot Headlime, Blog Ideas, 13.01.2022

Zum Einsatz kommt bei Headlime das Sprachmodell Davinci, das alternativ zum Modell Curie angeboten wird. Diese beiden Sprachmodelle gehören zu den vier Modellen der GPT-3-Familie. Der Anbieter OpenAI wurde 2015 als gemeinnützige Organisation von Elon Musk und weiteren Partnern als Forschungseinrichtung in San Francisco gegründet. Erst seit November 2021 bietet OpenAI den direkten Zugang (ohne Warteliste) zu GPT-3 über eine Schnittstelle bzw. den sogenannten „Playground“ an, allerdings unter gewissen Auflagen. Die Nutzungsmöglichkeiten erstrecken sich über vielfältigste Aufgabenstellungen rund um das Verstehen und Generierung von Texten – bis hin zu Softwarecode. Das Sprachmodell Davinci gilt als besonders leistungsstark.

Das Ergebnis der Blog Ideas wird mir mit einem Klick beschert und umfasst eine Liste mit sieben Titeln von sehr unterschiedlicher Qualität:

1. Die andere Seite des College: Ein Blick in das Leben eines Praktikanten.
2. Wie man einen Blogbeitrag in fünf Schritten schreibt.
3. Das Dilemma des Schriftstellers: Der Kampf, anzufangen.
4. Wie du kreative Ideen bekommst: 5 Wege, um über den Tellerrand hinauszuschauen.
5. Das ist eine verrückte Idee, aber vielleicht sollte ich über meinen Prozess beim Schreiben dieses Blogposts bloggen.
6. Ein Rezept zum Schreiben eines Blogbeitrags: 5 Schritte zum Schreiben eines erfolgreichen Blogs.
7. Die Schönheit einer leeren Seite.

Ich bin hin- und hergerissen und wähle die fünfte Variante: „Das ist eine verrückte Idee, aber vielleicht sollte ich über meinen Prozess beim Schreiben dieses Blogposts bloggen.“

Mit dem weiteren Feature Blog Post gelingt mir der Durchbruch, wie in Abbildung 2 ersichtlich. Es generiert mir aber nicht nur mehrere Einleitungsvarianten, sondern gleich noch eine neue Überschrift, somit eine weitere Titeloption.

Abbildung 2: Screenshot Headlime, Blog Post, 13.01.2022

Alle drei Einleitungsvarianten gefallen mir, aber die dritte Option erscheint mir besonders reizvoll. Ich wähle sie und nutze sie fortan für meinen kollaborativen Schreibprozess, bei dem ich zwischendurch einige Sätze ergänzen muss (siehe die grau markierte Textsequenz in Abbildung 3), um dann wieder automatisierte Textfortführungen über den Button Write for me nutzen zu können.

Abbildung 3: Screenshot Headlime, Textfortführung Blog Post, 13.01.2022

Meine Fortschritte motivieren mich und die Textfortführungen beflügeln trotz meiner Erschöpfung meinen Geist. So entsteht in wenigen Minuten die Ergebnis-Textbox in Abbildung 4, bei dem meine beiden, wirklich sehr rudimentären Textfortführungen in fetter Schrift hervorgehoben sind.

Die Kunst des Schreibens besteht darin, deine Gedanken und Gefühle mit der Welt zu teilen. Wenn es ums Bloggen geht, gibt es nur wenige Dinge, die frustrierender sind, als wenn dir keine neue Idee für einen Artikel einfällt.
Es gibt viele Ideen, aber wenn du müde bist, erscheinen sie dir nicht mehr so klar. Du brauchst ein paar Tipps, wie du Ideen für Blogbeiträge findest, wenn du nicht weiterweißt und dringend eine brauchst - hier sind unsere Empfehlungen:  Lies deine alten Blogbeiträge noch einmal durch und überlege, ob du noch unbeantwortete Fragen hast oder „alte“ Ideen, die es wert sein könnten, aus einem anderen Blickwinkel betrachtet zu werden. Lies die Kommentare zu deinen Blogbeiträgen, sie könnten dir einige Ideen für einen neuen Artikel liefern. Wenn jemand einen Kommentar mit einer unbeantworteten Frage hinterlassen hat, die in einem Satz beantwortet werden könnte, ist es eine Überlegung wert, darüber zu schreiben. Finde heraus, welche Art von Inhalten am beliebtesten ist, indem du andere Blogs in deiner Nische oder auf Seiten wie Pinterest durchstöberst - das wird dir zeigen, welche Art von Artikeln die Leute interessant und relevant finden, damit du den Geschmack deiner Leser triffst. Stelle dir am besten einen konkreten Leser vor, wie eine Persona im Marketing. Schreibe ein paar Fragen auf, von denen du weißt, dass dein Leser sie haben könnte, und erstelle dann einen Artikel mit den Antworten auf diese Fragen. Was ist, wenn sie meinen Blogbeitrag nicht relevant finden? Ich fand es auch hilfreich, mir ein paar allgemeine Überschriften auszudenken, bevor ich mit meinem eigentlichen Artikel begann. Auf diese Weise konnte ich Ideen für den Inhalt des Artikels sammeln. Vielleicht so etwas wie „How-to Blogging: Tipps und Tricks“ oder „Was du tun solltest, wenn dein Blogbeitrag nicht ankommt“.

Gesamttext des kollaborativen Schreibprozesses, 13.01.2022

Mit meinem ersten Titel: „Das ist eine verrückte Idee, aber vielleicht sollte ich über meinen Prozess beim Schreiben dieses Blogposts bloggen“ steige ich wieder ein und beende dieses Szenario:

Das ist eine verrückte Idee, aber vielleicht sollte ich über meinen Prozess beim Schreiben dieses Blogposts bloggen – so mein erster Gedanke heute Abend. Und es war eine gute Idee! Denn ich habe Sie, liebe Leser:innen, teilnehmen lassen an diesem Schreibprozess mit meinem KI-Partner. Während ich schwächelte, überzeugte mein KI-Schreibpartner mit beständiger Schaffenskraft – aber leider noch mäßiger Textqualität. Angesichts der hohen Innovationsdynamik im Bereich des „Natural Language Processing“ (NLP) dürfen wir aber von einer schnellen und kontinuierlichen Qualitätssteigerung KI-generierter Texte ausgehen. Was bedeutet diese zukünftige Entwicklung für mich als menschliche Autorin? Werde ich zukünftig überhaupt noch konkurrenzfähig sein? Die zentrale Frage lautet doch: Wer ist besser im Formulieren von Texten, der Mensch oder die Künstliche Intelligenz? Ich überlasse Sie, liebe Leser:innen, an dieser Stelle der KI-Antwort von Philosopher und fühle mich zum Abschluss des Tages in ganz besonderer Weise von meinem KI-Schreibpartner wertgeschätzt. Aber machen Sie sich selbst ein Bild (kleiner Warnhinweis: Philosopher kann beim nächsten Klick auch das genaue Gegenteil behaupten!):

Wer ist besser im Formulieren von Texten, der Mensch oder die Künstliche Intelligenz?
Der Mensch ist besser im Formulieren von Texten, weil er sich dazu entwickelt hat und die Künstliche Intelligenz nicht. Menschen können ihre Gedanken viel detaillierter und effizienter mitteilen, als es eine Maschine je könnte. Das Beste, was eine KI erreichen kann, ist, Inhalte zu erstellen, die den Menschen nachahmen, aber selbst dann wird sie ihn nie schlagen.
Menschen sind auch deshalb besser im Formulieren von Texten, weil sie Dinge tun können, zu denen Maschinen nie in der Lage sein werden. Maschinen können alle Informationen im Internet suchen und finden, aber sie haben keinen gesunden Menschenverstand. Sie haben keine Fähigkeit zu denken oder sich selbst weiterzuentwickeln, sodass ihr Wissen auf das beschränkt ist, was andere ihnen geben.
Menschen brauchen auch kein Motherboard, kein Stromkabel und nicht einmal eine Internetverbindung, um Texte zu formulieren. Sie können dies überall und jederzeit tun, indem sie nichts anderes als ihre Gehirnzellen benutzen.
Schließlich glaube ich, dass Menschen besser im Formulieren von Texten sind, weil sie eine unheimliche Fähigkeit haben, Beispiele und Metaphern zu verwenden, die ihren Gedankengang erweitern können. Maschinen können nur mit einer begrenzten Menge an Daten aufwarten, um etwas zu analysieren oder Entscheidungen zu treffen.
Deshalb glaube ich, dass Menschen im Vergleich zu Maschinen besser im Formulieren von Texten sind.
Wie auch immer, danke für das Thema. Ich werde jetzt mit meinen philosophischen Gedanken fortfahren.

KI-Antwort von Philosopher, generiert am 13.01.2022 und übersetzt mit DeepL

Zur Erläuterung: Das Kölner KI-Technologieunternehmen DeepL SE bietet mit dem DeepL Übersetzer ein sehr leistungsstarkes Online-Übersetzungswerkzeug an, das neben der eigentlichen Übersetzungsfunktion noch weitere Zusatzfunktionen bietet, so z. B. die Verwendung von Synonymen, den Einsatz von Glossaren oder auch die Nutzung von Schnittstellen zu Office-Systemen. Das Tool basiert auf einem „faltenden“ neuronalen Netz (CNN), das üblicherweise für die Verarbeitung von Bild- und Audiodaten verwendet wird. Als Trainingsdaten wurden große Mengen frei verfügbarer Übersetzungstexte aus der Datenbank von Linguee verwendet.

 

Arbeitsgruppe „KI und Academic Writing“

Im Rahmen des KI-ExpertLabs Hochschullehre leitet Prof. Dr. Doris Weßels die Arbeitsgruppe „KI und Academic Writing“, die sich intensiv mit der Frage nach dem Einfluss von KI-Anwendungen auf das wissenschaftliche Schreiben auseinandersetzt. So wird etwa die Frage gestellt, welchen Impact KI-basierte Werkzeuge im Bereich „Natural Language Processing“ (NLP) auf Prüfungsleistungen in Form schriftlicher Haus-, Studien- und Abschlussarbeiten oder für die Förderung der Schreibkompetenz von Studierenden haben. In Verbindung damit werden Empfehlungen für den Einsatz KI-gestützter Werkzeuge in der Lehre, für die Lehre und das Lernen an Hochschulen erarbeitet und vorgestellt.

 

Folgende Veröffentlichungen sind bereits entstanden:

Salden, P., & Weßels, D. (2021): Künstlich intelligentes Schreiben. DUZ – Magazin für Wissenschaft und Management, 11 (S. 45-48). https://www.duz.de/ausgabe/!/id/562

Weßels, D. (26.08.2021): Mein Co-Autor, die Maschine. DIE ZEIT, 35/2021 (S. 40). https://www.zeit.de/2021/35/kuenstliche-intelligenz-sprache-rechtsrahmen-textproduktion-gpt-3-ki-sprachmodelle

Weßels, D. (20.12.2021): Verführerische Werkzeuge – Plagiate und KI-gestützte Textproduktion an Hochschulen?, Beitrag für die Forschung & Lehre (Hrsg.: Deutscher Hochschulverband), 12/2021 (S. 1018-1019). https://www.forschung-und-lehre.de/zeitfragen/ki-gestuetzte-textproduktion-an-hochschulen-4292, Volltext: www.wissenschaftsmanagement-online.de/beitrag/verf-hrerische-werkzeuge-plagiate-und-ki-gest-tzte-textproduktion-hochschulen-13117

Weßels, D., & Meyer, E. (2021): Original oder Plagiat? Der schnelle Weg zur wissenschaftlichen Arbeit im Zeitalter künstlicher Intelligenz. In Reussner, R. H., Koziolek, A., & Heinrich, R. (Hrsg.):  INFORMATIK 2020 (S. 749-761). Bonn: Gesellschaft für Informatik. https://doi.org/10.18420/inf2020_66

Doris Weßels
Prof. Dr. Doris Weßels
Fachhochschule Kiel

Prof. Dr. Doris Weßels ist Professorin für Wirtschaftsinformatik mit den Schwerpunkten Projektmanagement und Natural Language Processing an der Fachhochschule Kiel. Nach einem Studium der Mathematik, Betriebswirtschaftslehre und Informatik an der WWU in Münster promovierte sie am Institut für Finanzwirtschaft und Investition der Universität Oldenburg. Seit 2021 ist sie Mitglied im KI-ExpertLab Hochschullehre des BMBF-geförderten Pilotprojektes KI-Campus und hat dort die Themengruppe „KI und Academic Writing“ initiiert.