Arbeitsmarktprognosen
Lektion 3
Was sagt der Arbeitsmarkt?
Mara erzählt ihrem Mann Yunus von ihrem Gespräch mit Bea. Nach wie vor findet sie, dass Bea übertreibt. Yunus kann Beas Haltung zwar besser verstehen, ist sich aber mit Mara einig darüber, dass es sehr schwierig ist, für einen komplexen Bereich wie den Arbeitsmarkt Prognosen aufzustellen.
Yunus findet, dass man sich nicht auf Studien, die auf Basis unzureichender/unpassender Daten erstellt wurden, verlassen sollte. Vielmehr lohne einmal ein Blick in die amtlichen Daten zur Arbeitsmarktentwicklung. Darin werden doch Informationen zu finden sein, ob und welche Berufe verschwinden und welche wichtiger werden, oder?
Feine Daten
Yunus hat vollkommen recht. Um ein Gefühl dafür zu bekommen, wie sich der Arbeitsmarkt entwickelt und ob die Digitalisierung bereits heutzutage einen spürbaren Einfluss auf Jobs hat, durchforstet er die amtlichen Daten zur Arbeitsmarktentwicklung und wird fündig: Die Arbeitslosenquote ist ein wichtiger Indikator für die Beschäftigungssituation.
Eine andere wichtige Kennzahl ist die Anzahl der offenen Stellen, die nach Branchen sortiert sind. Sie zeigt die Nachfrage nach Fachkräften in bestimmten Bereichen des Arbeitsmarktes an. Aus diesen Daten lassen sich bestimmt Prognosen ableiten.
Das Problem ist: Arbeitsmarkdaten sind zwar umfassend und von hoher Qualität, weil sie sorgfältig geprüft werden. Dafür erscheinen sie aber erst zwei Monate nach ihrer Erhebung und sind somit nicht tagesaktuell. Daher lassen sich die unmittelbaren Auswirkungen einzelner Digitalisierungsmaßnahmen aus ihnen nicht ablesen.
Man könnte stattdessen Big-Data-Analysen nutzen, die zum Beispiel Suchanfragen aus dem Internet nach Weiterbildungsmaßnahmen auswerten. Diese Daten sind viel aktueller – allerdings liefern sie kein repräsentatives Bild des Arbeitsmarktes und können zu Trugschlüssen führen: Nur weil sich jemand über Weiterbildungen informiert, bedeutet das nicht, dass sein Job bedroht ist.
Ein Vorteil der umfassenden Arbeitsmarktdaten ist ihre Detailliertheit. Die Informationen werden nach verschiedenen Merkmalen aufgefächert, beispielsweise Alter, Geschlecht und Region.
Den Grad einer solchen Aufgliederung der Daten nennt man Granularität; je feingranulärer die Daten sein sollen, desto mehr Zeit muss auf die Datenerfassung verwendet werdent.
Perfekte Daten, die gleichzeitig detailliert, binnengegliedert, tagesaktuell, umfassend und fehlerfrei sind, gibt es praktisch nicht.
Exercise:
Teste dein Wissen:
Statistisch oder tatsächlich arbeitslos?
Die Arbeitsmarktstatistik liefert zahlreiche Belege dafür, wie schwierig es ist, Informationen eindeutig und aussagekräftig zu beschreiben.
Ein gutes Beispiel dafür ist die Arbeitslosigkeit. Nach amtlichem Verständnis gelten diejenigen als arbeitslos, die keine Arbeit haben und die sich bei der Agentur für Arbeit persönlich arbeitssuchend gemeldet haben.
Auch zählen Personen dazu, die weniger als 15 Stunden pro Woche arbeiten, eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung suchen und für eine Jobvermittlung direkt verfügbar sind.
Das entscheidende Kriterium ist, ob eine Person ins Beschäftigungssystem integriert ist und sie daraus wesentlich ihren Lebensunterhalt bestreiten kann. Die so ermittelte Zahl nennt man Arbeitslosenquote.
Man kann Arbeitslosigkeit auch anders definieren, indem man fragt, ob jemand ein Einkommen erzielt. Dann wäre nur arbeitslos, wer gar nicht arbeitet.
Genauso misst man in den meisten Ländern die Zahl der Menschen ohne Arbeit. In Deutschland erhebt man das zwar auch, nennt das Ergebnis aber nicht Arbeitslosen-, sondern Erwerbslosenquote.
Einmal misst man also, wer für sich selbst sorgen kann, und einmal, wer durch Arbeit zur Wertschöpfung beiträgt. Solche Feinheiten sind für einen internationalen Vergleich wichtig.
Eventuell werden auch erwerbsunfähige Personen als erwerbslos gezählt. Eine Untersuchung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) zeigte: In europäischen Ländern mit niedriger Erwerbslosenquote haben nicht unbedingt viele Menschen Arbeit. Aber Menschen ohne Arbeit gelten dort schneller als erwerbsunfähig und werden aus der Zahl der Erwerbslosen herausgerechnet.
Exercise:
Gut aufgepasst?
Wirkungen von Daten
Wenn man Daten richtig einordnen will, ist folgender Aspekt wichtig: Je nach Darstellung können Informationen unterschiedlich interpretiert werden. So lassen sich Prozentangaben auf zwei Arten ausdrücken: in Prozentpunkten und Prozentsätzen.
Eine Veränderung von zwei Prozent auf vier Prozent kann man als Wachstum von zwei Prozentpunkten beschreiben. Man kann aber auch von einem Wachstum von 100 Prozent sprechen, denn der Prozentwert hat sich verdoppelt.
Mathematisch ist es derselbe Sachverhalt, aber je nach Ausdrucksweise kann man ganz unterschiedliche Wirkungen erzielen.
Ein weiteres Beispiel: Bei der letzten Wahl erhielt Partei A 20 Prozent der Stimmen. Diesmal sind es 25 Prozent. Partei B hat sich von fünf auf zehn Prozent verbessert. In beiden Fällen gab es also ein Wachstum von fünf Prozentpunkten, der Prozentwert ist um fünf gestiegen.
Aber das lässt die Ausgangssituation außer Acht. Partei A hatte bei der letzten Wahl mehr Stimmen. Dies wird klarer, wenn man sich die Veränderung als Prozentsatz anschaut: Das Plus von fünf Prozentpunkten bei Partei A entspricht einem Viertel der ursprünglichen 20 Prozent – also einem Wachstum von 25 Prozent. Partei B hat hingegen doppelt so viele Stimmen gesammelt wie zuvor, also einen Gewinn von 100 Prozent erzielt.
Exercise:
Ein Magazin titelt, der Frauenanteil in Vorständen sei im Vergleich zum Vorjahr von 7,3 Prozent auf acht Prozent gestiegen.