Intelligente Verkehrsführung mit Hilfe von Smart Data
Lektion 4
Smarter Datentausch
Über Bluetooth verbindet Jürgen sein Smartphone mit dem Auto, um Musik zu hören. Dabei denkt er daran, was er über den Datenfluss gelernt hat, und fragt sich, welche seiner Daten aus dem Handy übertragen werden. Die Musik würde ja genügen ...
In der Übersicht der Berechtigungen findet er heraus, dass die Verbindung mit dem Auto zu einer sehr weitreichenden Synchronisation führen kann. Um das zu verhindern, müsste Jürgen aktiv eingreifen und die Berechtigungsfreigaben zurückziehen.
Diese Daten könnte ein Autohersteller nun von ihm sammeln:
- Musikdaten
- bisherige Routen und Anfragen
- Kontaktdaten
- vorhandene Apps
KI-Anwendungen im Auto haben also Zugriff auf viele Daten aus dem Smartphone. Diese werden im Fahrzeug weiterverarbeitet. Aktuell bezieht der Datenaustausch zwischen Smartphone und Auto vor allem die telematischen Daten ein, um die Verkehrslage auszuwerten oder Bewegungsprofile zu erstellen und damit die Navigation zu optimieren.
Bereits heute bezeichnen Expert*innen das Auto als ein „Smartphone, das zwei Tonnen wiegt“. Für den Verkauf von Neuwagen ist es daher in vielen Ländern Pflicht, ausführliche Datenschutzbestimmungen zu formulieren. Um die Datensammlung im Auto einzuschränken, müssen Nutzer*innen jedoch selbst aktiv werden: Über die „Opt-out“-Option der Bordsoftware kann der erweiterten Datenübertragung widersprochen werden.
Exercise:
Was denkst du?
Mein Auto – Spiegel meiner Fahrkunst?
Autos werden oft von mehreren Personen abwechselnd genutzt. Moderne Betriebs- und Assistenzsysteme lassen sich mit dem Smartphone des jeweils Fahrenden koppeln. Das Smartphone dient als eine Art personalisierter Schlüssel, mit dem der individuelle Assistenz-Service gestartet wird.
Es wäre also möglich zu erfassen, wer ein Auto zu welchem Zeitpunkt gefahren hat. Kfz-Versicherungen und vielleicht auch das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) in Flensburg wären an solchen Daten interessiert. Da es sich um persönliche Daten handelt, dürfen diese Informationen in Deutschland aber nicht weiterverwendet werden.
Die Zuordnung einer Person zu einer Fahrt oder einem Log-in im Auto kann dazu genutzt werden, den jeweiligen Fahrstil zu speichern und zu analysieren. Auf dieser Grundlage könnte eine KI-Anwendung einen Fahr-Score ermitteln, also Punkte für den Fahrstil geben.
Auf Basis eines solchen Scores können bestenfalls Empfehlungen für ein umweltbewussteres Fahrverhalten berechnet werden. Aber auch individuelle Versicherungstarife je nach Fahrstil könnten sich an diesem Score orientieren: je weniger Punkte, desto mehr Beitrag? Und Konsequenzen für Menschen, die regelmäßig Personen befördern, sind denkbar: mehr Geld auf dem Taxameter bei hohem Fahr-Score – und umgekehrt?
Wäre das gerecht und sinnvoll?
Ein Score würde weder Fahrerfahrung noch Fahrsicherheit angemessen widerspiegeln. So ist es denkbar, dass Personen, die nur selten Auto fahren, gut eingestuft werden, weil sie langsam und umsichtig unterwegs sind. Möglicherweise geht von ihnen wegen ihrer mangelnden Erfahrung oder ihrem unsicheren Fahrstil im Straßenverkehr aber ein höheres Risiko aus als von anderen Personen am Steuer.
Um eine mögliche Diskriminierung zu vermeiden, reichen also die Einschätzungen, die ein solcher Score geben kann, nicht aus. Die gewonnen Daten geben nicht das wieder, was durch einen Fahr-Score dargestellt werden soll, in diesem Fall mangelt es ihnen an Validität.
Zudem wäre ein Abgleich zwischen eingeloggtem Handy und Person auf dem Fahrersitz nötig. Denn wie ist sonst gewährleistet, dass nicht das Handy der zuvor fahrenden Person noch eingeloggt auf dem Beifahrersitz liegt und die Fahrt auf ihr Konto geht?
Exercise:
Ein Fahr-Score ist grundsätzlich eine gute Idee. Allerdings muss gewährleistet sein, dass die erfassten Daten in ihrer Kombination über eine zuverlässige Aussagekraft verfügen. Welche Daten können das sein? Wo kommen Sie her?
Daten für die grüne Welle
Die Personalisierung von Einzelfahrten, die Individualisierung des Fahrzeugkomforts und die Ableitung des eigenen Fahr-Scores sind Services im Austausch zwischen Fahrzeugsoftware und fahrender Person.
Die Daten, die Grundlage und zuweilen Ergebnis dieser Zweierbeziehung sind, können an weitere Systeme übergeben werden – wie beschrieben etwa an die Online-Plattform des Herstellers oder an Apps.
Daten aus Assistenzsystemen können aber auch Verkehrsfaktoren außerhalb des eigenen Fahrzeugs beeinflussen. Ampelschaltungen etwa lassen sich durch Daten der passierenden Autos steuern.
Es gibt Ampeln, die mithilfe von Sensoren messen, wie groß der zeitliche Abstand zwischen zwei Fahrzeugen ist, die die Ampel mit ihrem Frontbereich passieren: Wenn während einer Grünphase eine bestimmte Zeit lang kein Auto an der Ampel vorbeifährt, schaltet die Ampel auf Rot, da kein Bedarf einer Grünschaltung mehr besteht.
Die Daten zum zeitlichen Abstand zwischen zwei Fahrzeugen allein reichen aber nicht aus, um Ampeln auf den Verkehr abzustimmen: Zwischen dem Passieren der Front des Lkw und der Nase des folgenden Pkw vergeht natürlich mehr Zeit als zwischen zwei Pkw-Nasen. Das kann dazu führen, dass die Ampel auf Rot schaltet, obwohl noch viele Autos hinter dem Lkw warten.
Hier scheint eine Kombination aus verschiedenen Informationen vonnöten: die Verarbeitung der Daten, die die Sensoren in der Ampel erfassen, und der Daten oder Informationen, die die einzelnen Fahrzeuge der Ampel zuliefern.
Exercise:
Was denkst du?
Verkehr im Wandel
Die aktuelle Entwicklung hinsichtlich Elektroautos und Assistenzsystemen, allgegenwärtigen Sensoren und Verkehrsleitsystemen verlangt allen am Verkehr Teilnehmenden viel ab:
- Elektroautos sind leise und tauchen manchmal plötzlich vor uns auf, ohne dass wir sie gehört haben.
- Assistenzsysteme schalten sich beim Autofahren mit Kommentaren ins Geschehen ein und können irritieren oder sogar erschrecken.
- Sensoren sammeln, was sich sammeln lässt. Wir bekommen das meiste davon gar nicht mit.
- Verkehrsleitsysteme verändern Verkehrsflüsse nach Bedarf – und die Ampel mit der bisher recht langen Grünphase verhält sich in Zukunft für mich unberechenbar.
Auf die Mobilität der Zukunft müssen wir uns nicht nur einlassen. Wir müssen uns auch auf sie einstellen.