Blogbeitrag KI und Leadership

KI und Leadership – Potenziale und Herausforderungen

By Andreas Schepers
11/30/2021 - 10:19

Dr. Sylke Piéch ist Senior Research Managerin am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI). Gemeinsam mit Prof. Dr. Niels Pinkwart und Dr. Sven Schmeier bietet sie den DFKI-Kurs „KI und Leadership“ auf dem KI-Campus an. Im Interview spricht Sylke Piéch über KI in Arbeits- und Bildungsprozessen und darüber, welchen Herausforderungen sich Führungskräfte stellen müssen.


Frau Dr. Piéch, Sie sind Senior Research Managerin am Educational Technology Lab am DFKI in Berlin. Was sind Ihre Aufgaben und woran arbeiten Sie aktuell?

Der Fokus meiner Arbeit liegt auf dem Technologietransfer, also der Wirkung von Innovationstechnologien auf das menschliche Agieren und Zusammenarbeiten sowie dem Einsatz von KI-basierten Systemen zur Verbesserung und Zukunftsgestaltung von Bildungs- und Arbeitsprozessen. Der Technologietransfer kann nur gelingen, wenn auch der Praxistransfer zu den Unternehmen und Menschen gelingt. Im Transferprozess nehmen die Führungskräfte eine zentrale Rolle ein. Aus diesem Grund habe ich ein Qualifizierungsprogramm entwickelt: „Führungskräfteentwicklung im Kontext von Künstlicher Intelligenz“. Beim KI-Campus verantworte ich die Konzeption und Umsetzung des Lehrangebots „KI und Leadership”. Darüber hinaus bin ich am Educational Technology Lab des DFKI verantwortlich für die Personal- und Teamentwicklung.

Lassen Sie uns auf den Kurs „KI und Leadership“ auf dem KI-Campus eingehen. An wen richtet sich der Kurs und was sind die Inhalte?

Unser Kurs richtet sich zum einen an Studierende, die sich für die spätere Übernahme von Führungsaufgaben interessieren. Oft sind die Studierenden die Führungskräfte bzw. Projektleiter:innen von morgen. Umso wichtiger ist es, dass sie bereits während des Studiums ein Spektrum an Führungskompetenzen erwerben, die sie auf die digitale Arbeitswelt vorbereiten. Zum anderen wendet sich unser Qualifizierungsprogramm an berufsbegleitend Lernende, also Personen, die bereits in Führungspositionen sind oder an Personen, die zukünftig Führungspositionen übernehmen wollen. Im Rahmen der Qualifizierung werden umfassende Kenntnisse im Umgang mit den neuen Technologien sowie Wissen und Use Cases über effektive Führungsstrategien und Leadership-Ansätze in der digitalen Zusammenarbeit vermittelt. 

Sie beschäftigen sich darüber hinaus mit dem Thema Internationale Talententwicklung in der digitalen Arbeitswelt. Welche Bedeutung kommt diesem Themengebiet in Bezug auf die globalen Entwicklungen zu? 

Aufgrund des demographischen Wandels und dem damit verbundenen Fachkräftemangel wird es immer wichtiger, talentierte Mitarbeiter:innen zu finden und langfristig an das Unternehmen bzw. die Organisation zu binden. Die internationale Talententwicklung zählt somit zu den wichtigsten Kerngebieten des Human Resources Managements. 

Darüber hinaus werden Spezialist:innen im Umgang mit transformativen Technologien in fast allen Branchen benötigt. Unternehmen stehen somit im internationalen Wettbewerb bei der Gewinnung und Bindung digitaler Talente. Umso wichtiger ist es, die Talentmanagementprozesse durch eine wertschätzende Unternehmens- und Führungskultur und einem effektiven Retention-Management attraktiv zu gestalten. Eine gezielte Personal- und Teamentwicklung sowie berufsbegleitende Weiterbildungen spielen hier eine wesentliche Rolle. Diese Prozesse können durch KI-Technologien maßgeblich unterstützt werden. Zum Beispiel ist durch eine optimale Erfassung der Talent- und Kompetenzprofile eine bessere Personalisierbarkeit von Qualifizierungsmaßnahmen und eine gezieltere Karriereplanung möglich. Dies wirkt sich oft positiv auf die Motivation und Bindung der Mitarbeitenden aus. 

Wie werden hybride Teams aus Menschen und Maschinen zusammenarbeiten?

Die Chancen und Herausforderungen liegen darin, die Stärken des Menschen und die der Maschine zusammenführen. Beispielsweise arbeiten im Finanz- und Gesundheitssektor, der Automobilindustrie oder im Maschinen- und Anlagenbau hybride Teams bereits sehr erfolgreich zusammen. Digitale Assistenzsysteme können für den Menschen mit Blick auf komplexe, höchst präzise, monotone oder körperlich schwere Arbeiten eine wertvolle Unterstützung sein. Damit die Zusammenarbeit gelingt, ist auch in hybriden Teams auf eine klare Aufgaben- und Rollenverteilungen zu achten. Die Kommunikation zwischen Mensch und Maschine sollte bedienerfreundlich, transparent und vertrauenswürdig sein. Die Qualität der zur Verfügung stehenden Daten, Sicherheit, Gesundheitsschutz und soziale Einbindung sind wesentliche Faktoren, damit eine sinnvolle Arbeitsteilung zwischen Menschen und KI-Systemen möglich ist.

Und die gemeinsame Interaktion braucht Übung. Wenn wir digitale Assistenzsysteme und Roboter in die Arbeitsprozesse miteinbeziehen, müssen diese von den Kolleg:innen als Teammitglieder akzeptiert werden und es bedarf Testphasen, wo Erfahrungen im miteinander gewonnen werden können. Dabei ist zu beachten, dass der Umgang mit KI-Systemen interkulturell sehr unterschiedlich sein kann. Zum Beispiel ist die Affinität für Roboter in Japan sehr hoch, was zu einer anderen Einstellung in Bezug auf die Speicherung persönlicher Daten führen kann. Demzufolge ist es für Führungskräfte wichtig, die unterschiedlichen Werte und interkulturellen Einstellungen der Mitarbeitenden gleichberechtigt in der hybriden Zusammenarbeit zu berücksichtigen. 

Worauf sollte beim Einsatz von KI-Technologien geachtet werden? 

Aktuell wird der Diskurs noch zu technisch geführt. Beim Technologietransfer brauchen wir auch den Bezug zu den Menschen und zur Organisation. Letztlich müssen die Entscheidungsträger:innnen und Mitarbeitenden davon überzeugt sein, dass sich der Einsatz von KI-Werkzeugen in ihrem Unternehmen bzw. in ihrer Organisation lohnt und dass sie die Implementierung auch umsetzen können. Dann gilt es, die entsprechenden organisatorischen Rahmenbedingungen und Strukturen zu entwickeln sowie Verantwortlichkeiten zu klären. Beim Technologietransfer müssen also drei Ebenen berücksichtigt werden: Mensch, Organisation und Technik.

In diesem Kontext kommt den Führungskräften eine entscheidende Position zu. Das gesamte Spektrum, welches bei der Gewinnung der Mitarbeitenden für die Arbeit mit den neuen Technologien beginnt und sich über die Arbeitsorganisation und das Management erstreckt, wird durch sie maßgeblich gestaltet. 

Zudem ist zu beachten, dass Menschen sehr unterschiedlich mit Veränderungen umgehen. Wenn zum Beispiel Routineaufgaben durch KI-Tools übernommen werden, kann das bei einigen Kolleg:innen viel Freude auslösen, da sie mehr Freiraum für innovative oder strategische Aufgaben gewinnen. Andere Kolleg:innen fühlen sich durch diese Entwicklungen eher bedroht, da sie ihre Sicherheit oder sogar ihren Arbeitsplatz verlieren. Hier müssen neue Berufsperspektiven eröffnet werden und es ist wichtig, sehr individuell auf jeden einzelnen Mitarbeitenden einzugehen. Da sind Führungskräfte hoch gefordert. Um diesen Herausforderungen gerecht zu werden, sollte die Ausrichtung auf agile Führungsansätze, wie beispielsweise den Situativen Führungsstil, vorgenommen werden.

Welche weiteren Aspekte sind zu berücksichtigen?

Mit dem Einsatz von KI-Technologien werden sich Führungskräfte auch verstärkt mit neuen Themenstellungen wie digitale Autorität, Maschinenrecht und digitale Kompetenz auseinanderzusetzen haben. Ferner stehen ethische Grundsatzfragen im Focus. Welche KI-Einsatzmöglichkeiten können wir ethisch vertreten, beziehungsweise in welchem Rahmen soll die Anwendung erfolgen? Zum Beispiel sorgt der Einsatz von Sprachanalyse-Software im Recruiting Prozess oder beim Tracking von Mitarbeitenden für kontroverse Diskussionen. Der Schutz persönlicher Daten sowie eine transparente und nachvollziehbare Kommunikation zur Datenlage sind unumgängliche Kriterien, denen sich Arbeitgeber:innen und Führungskräfte zu stellen haben. 

Unsere Forschung zeigt, wenn Mensch und Maschine konstruktiv „Hand in Hand“ zusammenarbeiten, sind wir zu Leistungen in der Lage, die ganz neue Dimensionen erreichen. Entscheidend dabei ist die Absicht. Wofür nutzen wir die technologischen Möglichkeiten der Künstlichen Intelligenz? Mit der Zielsetzung: „KI für den Menschen“ haben wir uns am DFKI klar positioniert.

Frau Dr. Piéch, vielen Dank für das Gespräch.


Zum Online-Kurs „KI und Leadership“ auf dem KI-Campus

Das Interview erschien auch auf www.dfki.de.

Andreas Schepers
Andreas Schepers
Deutsches Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz

Andreas Schepers leitet seit 2019 die Kommunikation des Berliner Labors des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz (DFKI). Zuvor arbeitete er für den französischen Medienkonzern Vivendi Universal und die Europäische Weltraumorganisation ESA. Er studierte interkulturelle Kommunikation, Medienwissenschaften und Public Relations in Saarbrücken und Leicester.